Was soll ich dir noch sagen? Rainer Nowotny
Rainer Nowotny



Als ich fort ging, blies der Wind
grad aus der Richtung, die er gerne nimmt.
Sich neigte jeder Halm ergebe,
damit sein Flüstern lauter schwebe.

Ich wollt ihn noch zum Abschied grüßen,
doch schien er schon was Kommendes zu wissen.

Als ich dann wieder kam aus einer Fremde,
zermürbt im Kopf und rau die Hände,
da lachte dieser Wind mir meinen Wandertrieb,
der in Bewegung, doch am selben Orte blieb.


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Die Jahre malten Züge uns ins Angesicht,
der Weg war steinig für uns zwei,
einander schonten wir der Dornen nicht,
wurden schwer uns manchmal, so wie Blei.

O, wie ich dieses Blei an meinen Füßen liebe,
die bittren Tränen, ach, denn ohne diese:
wohin mich der erste Sturm vertriebe;
uferlos ins weite Meer, die Liebe mich verließe.


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Wenn der Abend niedersteigt,
die Töne leiser schwingen,
dass mir mein Träumen zeigt:

Du bist es immer wieder,
zu dir doch meine Schritte gingen,
zu dir hin sang ich meine Lieder.

Mit dir grau noch werden;
die Jahre sollen uns zu uns hinbringen,
bis der Tod uns schafft zu erden.


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Dein Haar, dein blondes, seh' ich so,
wie der Wind den Sommer sieht;
es raunt uns leis' aus gold'nem Stroh,
von deinen Lippen klingt ein Lied.

Die Sonne malt ein leichtes Rot
auf deine weiße Haut geschwind -
Komm in den Nachen, in mein Boot.
Komm, bis wir ganz nah uns sind.


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Das erste Auseinanderlaufen
von jung Verliebten - uns mein' ich -
wir wollten grade uns zusammenraufen,
da schrieben wir den ersten Trennungsstrich.
Jeder Abschied von dir, weh,
dass fast ich dran zerbrech',
denn dieses Wort 'Adieu'
ist blut'ge Teufelszech,
ist Schwefel und ist Pech.

Das zweite, ach, das dritte Mal,
wie eine Flut ins flache Land,
kein "Du verzeih!", nur eine Qual
hat Narben uns gebrannt.
Jeder Abschied von dir, weh,
...

Immer wieder sprach der eine Teil
"Geh!" und ging der andre auch.
Immer wieder war's für eine Weil;
dann doch zurück, was blieb, war Rauch.
Jeder Abschied von dir, weh,
...

Die ersten grauen Haare schon
sind uns gebleicht in all der Zeit
des Liebens und Verlassens, doch zum Lohn
auch alle Wiederkehr in unsre Zweisamkeit.


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Die Uhr am Bahnsteig mahnt ergrollt:
Türen schließen, dass der Wagen rollt;
die Lok gehorcht streng ihrer Pflichtung,
auch wenn der Motor schon ergraut -
doch plötzlich, mein Herz schreit laut:
"Der Zug fährt in die falsche Richtung."

Am Schalter reichte man mir einen Fahrtenschein,
das Ziel stimmt mit der Route überein;
ich sagte wohl dort eine wichtige Gewichtung,
doch will ich eigentlich zu dir -
entgegen dieser Linie hier;
der Zug fährt in die falsche Richtung.

Was soll ich tun - hinüber springen,
den Zug im andren Gleis erklimmen;
die Notbremse kommt mir in Sichtung;
ich nehm' den Lokführer als Geisel;
zu dir, zu dir, tönt mein Gesäusel;
der Zug fährt in die falsche Richtung.


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Liebste mein Sterbezelt
heut Nacht vor Deiner Tür.
Nimm dies als letzten Gruß
von mir.

Wenn der Mond am Morgen unterging
des Tod unserer Liebe Beginn.


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Schon wieder hab ich mich
verliebt in dich.

Vom ersten Mal, als es geschah,
trag ich den Ring zum Angedenk
an meinem Finger, mémoire
an unser Singen: dein Geschenk.


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Wer kann schon mit der Lüge leben?
wer möchte nicht durch Rufen sich befrei'n?
"Ich habe jenes sündig Streben ..."
gebeichtet, glaubt man schnell sich rein.

Doch sage mir was Wahrheit ist,
mit welchem Recht kann ich dich fragen?
Und könnte meiner Schmerzen Lust
das, was du sagst, ertragen?


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Wenn ich sage: Du,
noch lange nicht das Ende
Sieh her: dein Blick;
leuchtet zwischen uns
Grenzenloses:
Sie bleibt uns noch:
die Zeit für uns


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Mit Heulen, kraftvoll peitscht der Wind
die Blätter nieder; Schauer, Regenfänger;
In die Behausung kraucht ein jedes Kind
zum Ofen hin; wir rücken etwas enger.

Jahr ein, Jahr aus ein Gleiches mit der Enge,
wenn herbstens sich die schweren Wolken finden.
Als ob ein leises Singen hier erklänge,
das Feuer heime Wünsche aus den Gründen.

Doch mehr noch als die Glut im Herde
glüht ein Lächeln da von deinem Mund,
dass auch unser Wollen wärmer werde -

Ja wär' dein helles Wesen nicht,
ich säß' im Dunkel hier zur Abendstund;
doch deine Augen geben Licht.


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Eine Träne bang
aus deinem Aug' hervor;
abwärts deine Wang,
himmelwärts empor.

Dass dich die Träne schmückt,
wie Blütenstaub die Ros,
so still, so zart, entzückt
fiel sie in deinen Schoß.

Auf Knien dir zu fleh'n:
Es ist so warm der Augenblick,
und ach, so schön

bist du, dass ich zerfließe,
wie dieser Träne kurzes Glück
auf deiner Haut ergieße.


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Geträumte Süße, sich verschwenden
dir, erklingt mein Ruf,
lege leise ihn zu Händen
meiner Hoffnung; wer aber schuf

die Mauer des Verstandes, hoch;
Kopflos mein Suchen, abzulesen
deinen Hauch; schrill jedoch
kämpft etwas gegen unser zartes Wesen.

Als könnt' nicht jedes Lieben
leben ohne jedes Nein,
nur einfach Ja ihr sagen.

Wäre die Vernunft vertrieben,
könnt' alle Angst verjagen,
wär einfach dein.


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Kann ich dich im Getümmel finden,
im Wirr, wie Ameisen - umher
in allen Gassen schweifen.
Ach stündest du doch wie ein Linden,
die Äste in den Himmel greifen,
prachtvoll im Garten, als im Meer.
So suchen in den müden, steifen
Engen meine Blicke, hoffen schwer,
sich tastend in den tiefsten Gründen.


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Geliebte Fee, die zu mir in mancher Nacht
und schon allein, so doch in Traumes Fülle
ein manches Pochen in so mancher Stille
ein schweres Wähnen in meinem Leib entfacht.

Dass du nächtens kommst, von wem geschickt?, zu mir,
wartet gleich Satan schon auf seine Beute,
nach allem Warmen greift, wenn es auch reute,
meinem Sinn und Leib so gierig wie ein Tier.

Lass ab, lass ab, doch du hörst nicht mein Fluchen.
Ohn' Schlaf von Tag zu Tag die Ruhe suchen.


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Wand an Wand
und hinter jener Tür zur Nacht schläft sie.

Wann darfst du sagen:
"Ihr gehört mein Lied."
"Ihr gehöre ich."

Vergleichlos jede Wahl;
bestimmt doch immer nur das Jetzt die Reaktion.
Wo Wollust ist, ist Zufall auch,
und ungerecht.


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Wohin mit meiner Liebe,
wohin, wenn Frost und Schnee
der Ostwind aus dem ew'gen Eis
ins Land weht und verschließt den See
und bedeckt den Wald in weiß,
Kälte sich um jedes Leben schließt;
wer hört dann meiner Klagen Schall:
ob mir meine Wärme bliebe,
des Blutes Rot in mir noch fließt
im Flockentanz, im Eiskristall.


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Das Schönste,
denke ich zurück,
vor dem Notenständer stehend,
die Flöte aus Silber,
deine Lippen,
ein Bass aus Ahorn,
den Bogen in meiner Hand,
die Blicke aufs Papier
uns zulauschend:
Wir spielten Bach:
Unsere besten Stunden.


Bogen in meiner Hand,
die Blicke aufs Papier
uns zulauschend:
Wir spielten Bach:
Unsere besten Stunden.