Sonette der Liebe Rainer Nowotny
Rainer Nowotny



1 # # #


Nicht ist es grade so, als ob der Vollmond
mich nicht noch anregt, denn im Mondschein bleichen
deine weißen Brüste - mich zu erweichen.
Und um deine Hüften wirst du nicht geschont.

Nicht ist es grade so, dass die Winternacht
nicht Wärme fordert und ich meine Hände
dort verstecke, wo ich wärmeres fände,
so dass dich die Berührung noch heißer macht.

Also kurz, ich könnte es nicht bestreiten,
dass grad' heute deine Geilheit um mich schwirrt,
und schmiegsam deine Zunge, deine Glieder

vorwärts drängen. Will dir den Ritt bereiten,
der dich beim Vollmond gehörig ficken wird.
Bis zum Morgen; dann wandelt alles wieder.


2 # # #


Komm! Wenn ein Gefühl dich wieder packt, komm her!
Überlege nicht, wenn du alleine bist.
Bedenke nur, ob du jemanden vermisst?
Und wenn du mich meinst, zögere nicht so sehr.

Komm! Ich wüste dir einen Ort zu senden,
wo wir deine Schönheit zur Blüte bringen,
weil meine Augen dein Weißes verschlingen,
die Wölbungen geformt von meinen Händen.

Und wer soll über deine Schenkel gleiten?
Also Komm! Was hättest du von dem gewusst,
was wir verlangen an heißerem Begehr.

Wir können uns unglaubliches bereiten -
dein offener Mund zwischen Staunen und Lust.
Komm! Gibt dich mir, und gibt dich hin, und komm her!


3 # # #


Zieh dir was Schönes an! Den Fummel wieder,
den vom ersten Mal! Darunter nicht so viel.
Am besten nichts! Wieso Weg? Es gilt das Ziel!
Und deine Brüste setze stramm ins Mieder.

Borge dir vom Schminkstift Geschmack und Röte
auf die Lippen. Du plauderst, ich verstehe...
Aus deinem Haar mach feuriges Gewehe.
Die Augen male, was Verlockung böte.

Mit hohen Schuhen strecke deine Beine
höher in den Himmel, wenn es so weit ist.
Nun aber tanze, lass die Lockung singen;

kreise deine Hüften, dass ich vermeine,
ob's geschmeidig wird, wenn du erst willig bist,
und wir, bis du gesiegt hast, uns verschlingen.


4 # # #


Hast also dir gelegt der Ängste Karten,
gewarnt der Lust, vor dem, was sie vermisse.
Es drohte sonst Veränd'rung zu beginnen,
du könntest dem Begehren nicht entrinnen.

Aus bravem Allerlei der Tage starten?
Und jede Freude wollüstiger Güsse
wird sicherlich in schrecklich Neuem münden.
Nun ja, ich höre jammernd dein Begründen:

"Ist's gerecht für die, die zu Hause warten,
wenn frei ich liebe?" - Ja! Liebe! Denn wisse:
Gerechtigkeit kämpft immer gegen Freiheit,
und umgekehrt ist viel ärger noch der Streit.

Doch, liebe! Sonst wird dich das Alter drängen,
musst jeden Spiegel dann mit Tüll verhängen.


5 # # #


Scheusal, du, wirfst nach hinten dein langes Haar,
dass ein nackter Hals wohl mancherlei verspricht,
lustvollem Griff, des, der sich dir verzehre.
Grausame, weißt um die Wirkung deiner Schau.

Was heißt hier Schönheit? Reize hast du fürwahr
nur geborgt. Ersparen sie dir Mühen nicht.
Bis ich deinen Leib zu eigen begehre...
Doch garstig scheuchst du die Männer zum Nestbau.

Nur die Blüte, unbestäubte, beherrscht sie,
der lockenden Verzückung eitle Lieder.
Später, die reife Frucht dann, verführt uns nie.

Liebes Scheusal, wollte ich doch nicht wieder
lechzen, und wie ein Knecht ein Weib anbeten.
Warum musstest du in mein Leben treten?

6 # # #


Warum bist du nicht einfach nur gekommen?
Hättest gesagt: "Komm lass uns lieben! Komm schon!"
"Ich will nicht mehr trachten auf Satisfaktion."
Meine Arme hätten dich aufgenommen.

Doch dann geschieht es, zu schwer war der Konflikt.
Du brichst auf der Straße zusammen, beim Geh'n.
Eine Hälfte von dir will nicht mehr versteh'n.
Vergisst einfach die Welt, in die wir verstrickt.

Rechtes stört überall, wir sind Betrüger.
War denn größer dein Stolz als deine Schwäche?
Liebe das Schwache! Gewinn liegt in der Qual.

In dieser Erniedrigung bleibst du Sieger.
Liebe, immer du, zahlst bitter die Zeche;
der Dreck unsrer Straße beweist es brutal.


7 # # #


Kaum hast du meinen Kuss von den Lippen dir
gewischt, greifst unter andre Mäntel sogleich;
zielsicher die wehrlosen Stellen kennen.
Nur Duft der Umarmung bleibt mir auf der Fahrt.

Dich sehen, doch niemals berühren, dass mir
bald abschwillt die Erregung - wir sind nicht reich.
Ein großer Teil, was Liebe wir benennen,
ist Bewund'rung. Darum: Strebe! Dies mein Rat.

Leicht hat einer besond'ren Schmuck erworben
wird begehrt von dem, der schuftet, schafft und tut.
Geh! du liebst allein. Sehnsüchte, verdorben,

hoffen nur darauf. Bist endlich aufgewacht?
Höre nicht auf meinen Rat, er ist nicht gut.
Auf eignen Vorteil ist kluges stets bedacht.


8 # # #


Nun ja, ich geb' es zu, du bist recht geschickt,
wie deine Hände meistern die Erregung,
bis dass du schluckst die männliche Bestrebung.
ohne jene Nüchternheit - zu viel gefickt.

Zwar, ob die vielen Küsse mir verrieten,
wonach du strebst? Kühl und früh wie Windes Hauch.
Doch will ich nicht übertreiben. Will denn auch
nicht schwärmen von deinen weichen Gebieten.

Doch wie du schmeckst, wo ich Geschmack dir lecke.
Stopp! Nicht Geilheit ist bescheidenes Gezier.
Zu viel gelobt macht jede Grill' zur Schrecke.

Zwar dein Schoß befriedigt meine Lust und Gier,
und dies und das, und wenn ich ganz ehrlich bin,
bist du mit Mund und Möse die Künstlerin.


9 # # #


Welche Spiele, Flittchen, treiben dich umher?
An wen denkst du, Luder? Kein Wort glaube ich.
nicht denken, nicht glauben. Nur plagt die Unruh,
am Abend noch einmal zu tauchen in dich.

Weich wie Berührung. Meinest wohl, könntest mehr
als schöne Augen machen, Anmut zeigen?
Mit dem Hinterteil locken? doch geb' ich zu,
mich überzeugt, du lässt dich gut besteigen.

Wenn du dich rekelst unter meiner Gewalt.
Wie ist endlich ein Ende einzufangen?
Nur eine Möglichkeit bleibt unbenommen:

Über ein Verlangen hinweg zu kommen,
kann einzig ein neues, fremdes Verlangen.
Eine andere Frau! Ein anderer Halt!


10 # # #


Dein ganzer Körper soll an meinem kleben,
mit Schweiß verbunden. Soll, ganz träumender Schein,
unter meinen Stößen dein Leib erbeben.
Obwohl schon erschöpft, hab ich noch nicht genug.

Bin ich ganz Trieb, willst du etwa Verstand sein?
Scharfes durch Benutzung wird stumpf und verdorrt.
Stolz hingegen wehrt sich, ungezähmter Trug;
entfernt von Weisheit. Gebt ein anderes Wort!

Der Hang zur Übertretung, geblendet zwar,
doch viel schöner als die Wirklichkeit dich macht,
die Brüste viel weißer, noch geiler den Blick.

Grausam: Tagträume zu zerstieben. Furchtbar
Nimmersatte, nicht befriedigt, nicht bewacht.
Meinen Hunger, der dich nährte, gib zurück!

11 # # #


Nein, nein, ich liebe dich nicht, hab keine Angst!
Von mir droht keine Gefahr auf dich zurück.
Du wirst nicht entrissen vom braven Geschick,
und dir wird nichts genommen. Wie du verlangst!

Auf deinen Anruf hoffe? Warte? Bleibe?
Das hat nichts zu bedeuten, leere Räume.
Auch nicht, dass ich am Tage von dir träume.
Auch nicht, dass ich Gedichte, Briefe schreibe.

Nichts dringt nach Außen, ich schwöre! Mein Schweigen
wird niemals gebrochen. Von meinem Streben
dringt nichts in die Welt. Mach dir keine Sorgen.

Leise wird manches, versteckt dir zu zeigen,
zwischen Fähigkeit und Bereitschaft leben.
Liebe blüht zauberhaft, wenn sie verborgen.



12 # # #


Wenn Mühe weicht Gewissheit, dann erst ragen
Lügen empor, gestatten wohl Sicherheit,
bis endlich untreu wir uns vorgelogen
eingesteh'n, wer nie geweint, hat nie gelacht.

Nicht können wir dem Mittelpunkt entsagen.
Denn beide waren wir dort vor unsrer Zeit.
Hast du geliebt oder hast du erwogen?
Mäßiglich war sicher nicht, was dir gebot.

Ausgerechnet du musst um Treue fragen?
und dann fühlst du Eifersucht? Hast du Verdacht?
Oberste Ursache = moralische Not

begleitet lügend mich in die Schläfrigkeit!
Warum, Träume, verlasst ihr, wenn ich erwacht,
mich nicht? Muss den Tag statt des schwer euch tragen.


13 # # #


Nieder mit der Vernunft! Nieder mit der Zwei!
Die Eins ist vernünftig. Weiter zu streben
bezweifle ich jeden Sinn. Es ist vorbei!
Wollust wird bekämpft vom sinnvollen Leben.

Was zumeist im Dunkel die Verschmelzung trug,
wenige Stunden der Lebenszeit entlang,
war dir und war mancher anderen genug,
doch war weder mir als auch ihr ein Anfang;

Partnerschaft wird öde. Jedes Liebesspiel
wird träge, wenn Umgebung den Verfall mag;
jede Täglichkeit vernichtet Lust in sich.

Liebe beschränkt sich - zwei sind ihr viel zu viel.
Alltag beschränkt sich nie - zwei sind dem Alltag
nicht nur zu wenig, zwei sind unerträglich.


14 # # #


Ja, immer noch einmal, ich komme wieder.
Verirrter Klang findet zur Musik zurück.
Wie ein Laut zur Sprache gelangt hinüber,
wie ein Lächeln sich mischt mit anderem Glück.

Stehe wieder, wie befohlen, abendlich.
Will nicht vermissen dies Gefühl, diesen Kuss:
"Schmetterlinge im Bauch". Und ich sehne mich
ähnlich einsam, wie ein jeder sterben muss.

Denken ist oft viel verlangt. Friedliches Ruh'n
in Enthaltsamkeit? Schließlich durch das fahle,
sittliche Vermögen uns selbst aufheben.

Fliehe, Verberge! Hat das mit Glück zu tun?
Eigentlich tot nenn ich alles Normale.
Nur das Besondere heißt: wirklich leben.


15 # # #


Als hätte ich manches verflossene Jahr
auf dich gewartet. Ich wollt' es nicht glauben?
Sonderes nichts, dass lang ich unschlüssig war,
Gedanken meiner Triebe zu erlauben.

Alles Vorherige = billiger Ersatz
im Voraus. Wie weise von dir entschieden:
Das eilige "Ja" ist nicht Beute, nicht Schatz.
Schnell wird es wieder sehr peinlich gemieden.

Drum quäle mich: "Es gäb' für uns doch künftig
nur Verhängnis, dass uns lange schon berief."
Gestand dir. Doch du zweifeltest - vernünftig!

Nur eines, Liebe, ist dir gleich intensiv;
in später Ferne noch bedacht und treibend:
Liebes Kummer - dir in Begleitung bleibend!


16 # # #


Was erwartest du von dem, der willig trägt
deine Anweisung. Einfältig Lasten schleppt.
Tatsächlich vermagst du fort mich zu schicken?
Einzulassen dummen Geist, der sich gefällt?

Hast du kalten Stein, dort, wo mir das Herz schlägt?
Regungslos bis jede Turbulenz verebbt?
Lässt du dich wirklich von diesem dort ficken?
Was für Dumpfheit meiner Neigung zugesellt.

Die einst Geliebten - uns bleibt nur, zu schauen -
im Dämmern der zweiten Hälfte verblühen,
was ihre Nähe noch weiter vertriebe.

Schlimmer, viel schlimmer noch als schöne Frauen,
sind ehemals schöne, die wir, trotz Mühen,
nicht mehr erreichen mit unserer Liebe.

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