Ob Wolken über den Odrastrom wandern, / Wasser grüßt Wasser, / so zieht mein Verlangen zu dir, Fließende.
Verbotenes Ende Rainer Nowotny
Rainer Nowotny



So schönes Bild ist Täuschung, uns zu blenden.
Zu greifen eher als zu hoffen wagen.
Befriedigt ja, doch nur gefühlt durch Leere.
Täuscht sie mich, doch grade darum flehe ich!
Will mich bedrängen. Sei mir willkommen: Drang!
Den Eisschacht, unter geschmolzenem Gletscher
frei gelegt - endlich will die Kälte enden.
Hitze kommt, wir meiden sie gleich einer Pein.

***

Wie konnten wir den nächsten Tag erwarten
ohne Liebe? Gleichfalls arm wie betrogen,
jahrelang verkauft, je auf seine Weise.
Doch ihr Küsse! Härte bleibt euch ewig feind.
Euch Lippen wird die Härte niemals zwingen.
Drum pressen wir einander, trinkend, schmeckend.

***

Haben die Alten nicht immer versprochen,
dass man kälter wird mit gelebten Jahren,
dass der Kummer einen nicht mehr so zerreißt?
Gelogen haben sie, schändlich gelogen.
Betrüger sind's, ich rufe nach Vernichtung!
Schlimme Lügner: Niemals wird kälter das Blut,
niemals geht zur Neige das Salz der Tränen.

***

Du, Göttin der Liebe, bewundert, begehrt,
bist auch Trägerin des Unglückes zugleich,
denn selber lieben, liegt nicht in deiner Macht.
Verloren, des Kummers voll, stehst entgegen
vielen Freiern, die lechzend dich belagern.
Bedauernswerte. - Auch ich erliege dir.

***

Sah ich, schwebend, dein Gesicht und war erstaunt.
Nicht, dass romantisch wir uns fanden, oh nein.
Flüchtig war der Anfang, unbekannt der Tag,
flüchtig unser Treffen, frei von Emotion.
Dort fing es an, ahnungslos um diesen Ort;
in den überwachsenen Schützengräben,
die einst Skorzenys Männer, mit Schweiß und Blut,
mit Zorn und Angst besetzten, gegen Männer,
die wollten ebenso nur einfach leben.
Und war es Abwehr, die uns Vorsicht gebot?
Wir gaben nichts und wollten nichts vergeben.
Ich liebe doch nicht so ein fremdes Mädchen,
von irgendwo, um dort nichts zu verlieren.
Doch einmal aufgestanden, fort gegangen,
war ich Gefangener, war es freiwillig.
Die Wahrheit ist, mein Herz wurde dein Sklave.
Ich liebe! Und verachte alle Worte!
Sagt Sie: "Nichts bleibt nichts; Liebe brauchen wir nicht."
Nun aber brauche ich dies eine Gefühl!
Verabscheu alles Erdachte. Kein Wort mehr.
Hinweg! Nur noch wortlose Verständigung!
Das ist ein Befehl! Vom Intellekt befreit!
Wer will Hektik? Wer denn will Geschwindigkeit?
Beeile dich nicht, wenn aus dem Rausch erwacht,
salziger Strom von den Wangen gestrichen.
Viel entschwindet. Wenig bleibt von Leidenschaft.
Sonst strahlten nicht die wunderbaren Augen;
werden einfach Linsen wie von jedermann.
Von Zärtlichkeit bleibt Ficken, darum zage!
Schnell ist hinweg der Schwur, darum entsage!
Darum stoße, fliehe! Verbot ist Rettung.
Von eigenen Erwartungen mach dich frei!
Muss es auch Arbeit sein, die schwerste für zwei.

***

Mein Herz ist besetzt. Endlich! Was es auch heißt.
Endlich, das ist, mein Warten hat ein Ende.
Sehnsucht, das ist, mein Herz zerspringt vor Schmerzen.
Das ist, immer sehe ich deine Augen.
Das ist, immer spüre ich deine Hände.
Von meiner Sehnsucht sagte ich dem Bruder,
doch nichts konnte ich ihm sagen von Hoffnung.

***

Da unser Leben Anstrengung und Schuften,
sind wir wohl fremd gekommen zueinander,
furchtsam in eine Zuneigung zu fallen.
War auch nur Technik Antrieb = meine Blindheit.
Doch im Frühling kam über uns eine Kraft,
blendend und verbietend. Dass ich dich liebe,
darf ich nicht sagen, später nicht verraten.
Ungezügelt tobt mithin mein Inneres.
Wurde ich doch an vielen Abschieden alt,
warum dann aber nicht reifer und weiser,
warum nicht wie angestrebt erlösend kalt?

" Warum nur heulst du, dass Bäche sich füllen?
Dass die Flüsse über die Ufer treten,
bewässern die Felder, tränken die Herden,
der Bauer erwartet keinen Regen mehr."
Ihn freut mein Unglück, reichlich gedeiht die Saat
unter den vielen Wasser meiner Wangen.
Beschleunigung wird einfach nicht geringer;
deshalb schwängert man und baut große Häuser,
versengt zu werden von ewig neuer Lust,
an ihr schließlich in Frieden zu ermatten.

***

Dank ich für einen wundervollen Abend.
Noch zwei Stunden Traum, dann ist die Nacht vorbei.
Die Scherben habe ich von deinem Spiegel,
lege sie zu den Fotos, erstes Geschenk.
So viele Tage, dass ich deiner gedenk.
Mir ist eine große Wärme erstiegen.
Wir haben beide Geschichte = alte Zeit!
Ich will nicht denken. Nur lieben! Muss es sein!
Ich komme! Kann nicht anders! Bitte steig ein!
Bist Irrlicht nur, dem ich Vertrauen bringe,
so führt schwaches Flammen mich ins Moor hinein.

***

Darfst mich rufen, versetzen, fort mich schicken,
wenn Erotik der Paarung gemeint wäre,
doch bleibt nur billiger Reiz, um zu locken,
falsche Erwartung auf eine Leidenschaft.
"Ja, ich komme. Doch nein! Heute nicht, morgen!
Doch Nein! Komm nicht! Habe dir schon geschrieben.
Das ist die letzte Meldung. Gib mir Ruhe!"
Überaus reife Frau und kleines Mädchen.

Die Natur hat es für zwei eingerichtet,
dass Menschen, die sich lieben, auch begehren.
Wie furchtbar wütet dann billiges Verbot,
Wozu den bräuchte einer den anderen?
So viele Männer täglich um dich freien,
keinen brauchst du, keiner ist es jemals wert.

Nun, ich könnte auch einen Stein begehren.
In warmer Umfassung erwärmte er sich.
Benetz von Tränen würde er tränenfeucht.
Schlüge ich ihn begierlich an meinen Kopf,
träfen sich zwei Gleiche, es wär' Erfüllung.

Dass dein Blut noch pulsiert, muss ein anderer,
ein fremder Muskel übernommen haben,
denn du hast kein Herz. Nichts schlägt in deiner Brust.
An jedem neuen Abend zerstörst du mehr,
zuerst mein Herz, dann meinen Kopf, am Ende
unsere Neigung einander ganz und gar.

***

Da kam eine Nacht der heißen Vermischung.
Doch was taten wir? Wir wollten noch den Rausch.
Dass wir gelähmt kein Glied bewegen konnten,
wunderten der Trugbilder sich die Sinne.
Die Lahmheit demütigte über das Maß.
Noch vor dem Morgen raufe jeder sein Haar,
und feindselig fuhr ich hierhin, du dahin,
und unsere Liebe fuhr dorthin. Ins Nichts.
Wie finden wir sie zurück? Bitte sag es!

***

Bar der Kleider lief ich in den Rosenstrauch,
blind zwar ein wenig vom nächtlichen Dunkel,
doch mehr noch blind vor der erhofften Nähe,
wieder das Fliehen als Ausweg zu betteln.
Die Dornen stachen tief ins wehrlose Fleisch,
trieben ihre Spitzen in Stirn und Wangen,
in die Lippen, die ihre Röte blutend
dem Aufschrei gaben in das Dunkel der Nacht.

***

Was ist es für ein merkwürdiges Etwas?
Die Starken fügen sich plötzlich den Schwachen;
Sieger überlassen den Zweiten das Ziel;
die Aufrechten verbeugen sich anmutig;
die Stolzen unterwerfen sich gefügig;
die Kräftigen weinen salzige Tränen;
die Genährten werden mager und kraftlos.

Nur weil sie auf einmal lieben erlernen.
Und wussten vorher nicht, was es damit hat:
Schutzlos sich vergeben jede Eitelkeit.
Und jetzt erst fällt Schönheit über sie; erst jetzt!
Denn nun begehren sie selbst und werden arm.

***

Sehnsucht heißt: ich vermisse. Ich vermisse
dich Wunderbare und dich Komplizierte.
Dich traumhafter Engel, dich kalte Ziege.
Heilige, Prostituierte und Jungfrau,
Geliebte in allen Sprachen, dich Schöne!
Sehnsucht, das ist: ich vermisse und sterbe.
Bist du nicht da, stürze ich in den Wahnsinn.
Und sehe ich dich, ich darf dich nicht anseh'n.
Nicht Arbeit, nicht Schlaf, stattdessen nur Wirrnis.
Berühren und Küssen sind mir verboten.
Sehnsucht, das ist: ich sterbe. Ja! Ich sterbe.

***

Du berührst ja mein Inneres, Verstecktes
in meiner Innenwelt - dein zarter Atem.
Doch flehe ich dich. Bitte! Lass ab von mir!
Es müsste sonst furchtbaren Ausgang nehmen.
Wie sollte ich Dich denn mir selbst entreißen?
Ausweiden müsste ich mich. Jäger hilf mir!
Wie ein erlegtes Wild aufgebrochen wird.

***

Wir meinen etwas anderes und schweigen,
wenn gemein Gewöhnliche, Getretene
das schwere Tun der Hurerei verabscheu'n.
Stolz und Berechnung so nieder, so hörig.
Wer ist käuflich? Wer will befriedigt werden?
Beiden wird verdörren jede Lust davon,
zeugt Abscheu und verlangt ständig, sich schützen!
Ein Messer suchend, Urteil gegen sich selbst,
schließlich in den Schlaf zu gleiten, voll Unruh.
Doch bist du bei mir in der Nacht, wir schwimmen,
ineinander, zwei geschwungene Formen.
Nicht kann ich wünschen, der Schmerz würde schwächer,
sonst verlöre ich wohl diese Leidenschaft,
sonst fiele Elend über unschuldige,
volle Erwartung. Willst du Vorwurf machen?
Giere Erwartung? Weil du nicht erfüllt wirst?

***

Sommerlicher Wind legt sich wie Gewebe
als kühlende Hülle auf deine Schultern,
die fürchten die heißen Tage des Sommers.
Denn Winter war früher jede Begegnung.
Spiel zwar, doch die Seele auf Vatersuche
schon seit Kindertage, in ihr verharrend,
geschult in Anpreisung und Verweigerung,
doch konzentrierte sich alles auf Schändung.
Wissend, wie dem heutigen Tag du entfliehst,
wenn im Rausch Scherben und Blut um dich verteilst.
Bitte zerstöre den schönen Körper nicht,
mädchenhaft, als hätten Jahre nichts bewirkt.
Aber von wem wir Schutz erhoffen, ist oft
der Schlimmste, vor dem uns zu schützen wäre.
Unbemerkt für das größere Verbrechen,
seine Zuneigung selbst zerstört zu haben.

***

Vor deinem Fenster stehend, flehend, kriechend,
bettelnd, beglotzt, warte ich auf deine Hand,
die sich durch die Gardine schiebt zum Abwink:
"Nun verschwinde!" Und ich danke noch dafür?

Den Tag wüsste ich nichts anderes zu tun,
als immer wieder eine Nachricht schicken.
Doch verbiete ich mir lieber das Schreiben,
da wahrscheinlich keine Meldung dich findet.
Eine Galaxie in luftleerer Weite
wird aus dir, wenn du nicht erreichbar sein willst.

***

"Schmiedest etwa Pläne? Verliebter Schwachkopf?
Entwirfst Skizzen für ein Haus? Fallsüchtiger!
Willst du planen, dass der Wunsch um Späteres
manche Zärtlichkeit des Augenblicks zerstört.
Malst schon Jahre bis hin zum greisen Abend?
Solltest nur freuen dich an ihren Küssen,
an dem was ohne Bitten sie gierig schenkt.
Solche zarte Stunde einzig heißt Leben!
Jede Zukunft wirf ins Überflüssige!"

Fordere ich etwa des Geschickes Halt?
Natürlich warte ich ein weiteres Jahr
das Leben ist unendlich, selbst wenn wir alt,
also wart' ich ein zweites. Ein drittes gar.

Niemals wird der Bach auf deinen Wunsch eingeh'n.
Und gräbst durch einen Kanal das Wasser fort,
so ist die Rinne doch deine Zwangtat nur,
nie wird sie die Freude des Bachs erreichen.

Ich weiß es doch, natürlich brauchst du mich nicht.
Für das, was du bräuchtest, wirst du noch bezahlt,
und für Einsamkeit reicht schon das Abendlicht.
Zweisamkeit ist stets doppeltes Einsamsein.
Ich aber brauche dich, ja doch, dich allein!

***

Tagelang noch finde ich deine Haare,
wie zum Gedenk an gemeinsame Stunden.
Stark wie vom Schweif einer Araberstute.
Sind sie mir wie fester Strick und lang genug,
mit diesem Haar mich fest an dich zu knoten.

***

Es gibt keinen Grund, warum ich verloren,
völlig sinnlos, widersprüchlich glücklich bin.
Nichts bringt Verbindung, alles spricht dagegen.
Egal! Du tust gut. So wenig. So alles.
Den Graus von gestern schleppt das Glück von heute.
So sind noch nass meine Augen von Tränen.
Kein Wind vermag trocknen, stets fließt Feuchte nach,
und dabei springt das Herz doch hoch vor Freude.
Fast möchte es aus seinem Rhythmus kommen.
nur weil du nicht widersprachst, als ich sagte:
Ich will dein Mann sein; will mich dir antrauen.

So groß ist der Betrug, dass keiner ihn merkt.
Schon längst hätte er aufgedeckt sein sollen.
Noch immer verschweigen wir Ungeheures,
leicht bleibt wohl länger das trügerische Glück,
dass wir beide weinend uns gierig fassen,
albern einander schließlich doch verlieren.
Nicht Gewinner sind wir, wollen es nicht sein.
Ausgestoßen, verachtet, schuldig benannt,
neiden sie unsere wenigen Stunden,
unser intensives Leben! Färbt sich rot!
Erfülltes Dasein = verstoßene Liebe.

***

Das soeben noch durchdrungne kurze Glück
fällt schnell in den bitteren Zweifel zurück.
Waren wir von Anfang hörig, so gewollt,
dass Abscheu verzerrt die einst weichen Züge.
Wagst du es wirklich? Steigst aus meinen Wagen,
drum ein Fremder auf dir sich dumm befriedigt.

Ein zerbrochener Spiegel dient noch willig,
dir selbst deine Arme blutig zu schneiden,
dass jedes Tuch, diese Wunden zu stillen,
rot getränkt vom warmen Süßen wird, von dem,
das eben noch den Herzmuskel durchströmte.

***

Umsonst. Schlimmer noch als jedes Mal zuvor,
verzerrt mir der Kummer flennend mein Gesicht,
wilder als Herbstwind den Schornstein heulen lässt,
so wie Sturm sein Jaulen fegt durch Ruinen.

Ohne Aussicht auf gemeinsame Zeiten
flieht uns die Hoffnung, an die wir uns krallen.
So sind wir wissend um stete Vernichtung.
Vom Tränensalz schon fahl ist meine Iris,
das Augenweiß geädert vom Überdruck.

***

Schwüre brauche ich nicht, denn mich überkam
plötzlich dieser Drang unbedingter Treue.
Dieser freudige Zwang macht ja lächerlich
jedes Gelübde. Und um alles der Welt
möchte ich die kurze Stunde verlängern.
Allein, sie rast mir aus meinem festen Griff.
Zerflossen ins Jenseits. Verlorener Blick
noch auf jede deiner Konturen erstarrt;
Doch sei's verflucht! Alles muss ich vergessen!
Unbedingt und rasch! Wie soll ich's anstellen?

Die Tage brauchen wir, erschöpft, zur Ruhe,
so versäumen wir die wärmende Botschaft.
"Ach du dummes Herz." Will es denn nicht schweigen?
Entweder es zerbricht oder ich sterbe,
sehr bald wissen wir, wie es uns bestimmt war.
Also muss ich schnelles Zerbrechen wünschen?

***

Unser immer gleiches, billiges Muster
der unerreichbaren Frau in uns gebrannt.
Nur unerreichbar facht sie das Bemühen;
wie der kindische Wunsch, Großes zu schaffen,
das Ziel, die Formel der Welt zu ergründen.
Jede Schönheit ist wie eines Feuers Wall,
dass nur der Mutige durch die Lohe springt,
zu ihr gelangt, und sich mit ihr erhöhe.

***

Nein, es ist wirklich überhaupt kein Problem,
dass du wieder nicht kamst wie verabredet.
Voll mit Blumen war mein Zimmer; überfüllt.
Welk von Einsamkeit werfe ich sie ins Laub,
allein die Blumenfrau hatte sich gefreut.

Du schwierige Frau, schwierig, doch wunderbar -
und also furchtbarer ist mein Verlangen.
Mein Herz ist voll von dir. Ich schreibe weiter,
obschon du immer schweigst und alles meidest.

***

Bist so brutal und bist so sehr empfindlich.
Schlägst wild um dich, wie dem Ende entgegen
mit letzter Wehr ein verwundetes Raubtier.

Und doch so jeder Zärtlichkeit ergeben,
und doch hasserfüllt des Mannes Niederdrucks.

Wie sollten wir glücklich den Tag verleben?
Auf dass fette Bäuche gefräßig werden?
Wie eine sichere Hausung anstreben?

Ist es nicht über das Maß die Erfüllung,
im friedlichen Abend Nebel sich heben,
dass wir nun in Krämpfen liegen vor Liebe.

***

Ich nenne euch sachlich Zustand und Gefühl:
Es ist nicht sinnvoll, und es ist zerstörend.
Es ist voller Unruh, ohne jedes Ziel.
Nicht Zukunft gibt es, keine Aussicht auf Glück.
Macht krank meinen Kopf und ruiniert mein Herz.
Bringt Verzweiflung nur und wirres Durchstreifen.
Ich nenne es! Es ist: Die große Liebe.

***

Jede Schwärmerei ist bereits Einmischung!
Wie zwingt so grausam der Satz: "Ich liebe dich!"

Nie wieder will ich verliebt davon reden;
weiß ich doch um den Druck, den Wahrheit verübt.

Wie Liebe und Freiheit kämpfen verzweifelt,
so wehrt sich edler Stolz der Demütigung.

***

Du drehst dich weg von mir und bleibst dennoch hier.
Dass selbst zarte Berührung dich schon rüstet
zur Verteidigung, wie schon viele Jahre,
in denen dich zu erniedrigen suchte
die Unzahl derer, die roh nach dir griffen.
Muss Erniedrigung jeder weitergeben,
der selbst gewohnt ist, die Demut zu schlucken.
Nichts kann dein Widerstehen lösen. Es wird
wie eine Klinge uns auf Abstand halten.

Dich an die Strasse zu stellen, vorteilhaft.
Dann machtlos die Beschmutzung sehen müssen;
konnten meine Fäuste nicht Einhalt bieten?
Öffne mir den Brustkorb! Zögre bitte nicht!
Nutze deine Gewalt! Die Rippen breche!
Entreiße mir den erbärmlichen Muskel!
Ach sei doch still! Du Herz, du einfältiges!

Finsternis fiel einst über deine Kindheit.
Spätere Sorgen sind verlogen und falsch.
Lass mich neben deinem Nachtlager sitzen,
beschützen, wie es Männer immer schwärmen,
dass deine Schönheit diese sieben Jahre
überdauert, die durch uns geweissagt sind.
Doch wir beide sind leider nicht geduldig;
so bleiben diese Sieben leere Sagung.

***

Bitte teile dich, Sehnsucht, mach aus dir zwei.
Die Hälfte bleibe und quäle mich weiter,
aber deinen zweiten Teil lege auf Sie!
Ich flehe dich an! Finde den Weg zu ihr!
Dass auch in ihr entfacht wird dein schreckliches,
erlösendes, süchtig sehnendes Brennen.

***

Eine Einzelne wird niemals gerettet,
so schön Sie auch sei. - Und verloren bleibt sie
mit ihrem freien, doch traurigen Geschick.
Zwar findet sich dann und wann ein Erbarmter,
doch ist seine Waffe noch nicht geschmiedet,
diesen Verbrechern den Schlund zu durchbohren.

Und auch die Gesamtheit bleibt ewig im Dreck
seit tausend Jahren, denn diese Vertuschung
findet überall wieder dunkle Zimmer
für heimliche Gewalt. Schutzbefohlene
zu verachteten Sündern zu missbrauchen.

"Wollen wir nicht endlich kämpfen dagegen?"
Mich dauern schon alle späteren Krüppel,
die gleichen Verbrechen erliegen sollen,
und mich dauern schon jetzt alle Versucher,
die Schandtaten sinnlos sühnen zu suchen.

***

Selbst deine Umarmung ist voller Abwehr.
Siehe: Niemals flieht die Faust aus deiner Hand.
Und will sich ein Schlaf milde auf dich legen,
wachen deine Augen lauernd durch die Nacht.
Weigert sich die Früh, uns näher zu bringen,
dass wir ewig verharren in der Vorsicht.

***

"Ach Rainer, wie bescheuert kannst du denn sein?
Schwärmst nichts anderes als von deiner Schwermut.
Schlicht zwecklos ist dein billiges Begehren.
Mein Ruf umsonst. Du schaffst dein Erwachen nicht."

Obwohl: Ist es einfach Geilheit, die mich treibt?
Diesmal ohne dieses Tierische in mir
bin ich zu meiner großen Liebe gelangt?
Die mich frisst, bis ich jedem Reiz entsage.
So verbietet sich sogar Trieb - trotzt Schönheit.
Da vergessene Schuld so grausam uns packt,
tragen wir mühsam an der beugenden Last.

Keiner kann einem Todessucht abnehmen,
nicht mindern, nicht entkräften, nicht verschieben.

Zerr' ich dich, befreit von vernünftiger Sicht,
reagiere kopflos, gleich der Vereisung,
als jegliche Beziehung schon entrissen,
bevor man die Sprache der Mutter lernte,
untauglich zur Flucht, wie erst noch zum Angriff?

Schlaf überfällt dich im Liebesgeständnis,
Coma gleich, in des Somnambulen Einfalt.
Worte nicht hörend, Gefühle nicht merkend,
wie in Eis erstarrtes Gebirge wartet.

***

Hoffnung, mein Fluch über dich, du Verruchte!
Bist Ursache und Hüterin der Dummheit.
Alle sollen dich hassen! Dich verachten!
Schicktest du uns im Sommer deinen Wahnsinn,
dass wir geblendet bis zum Schmerz verharrten.

Unheilbar Kranken, zu solchen gemachten,
bleibt wohl Hoffnung auf ein höheres Wunder. -
Fremd Vergebene hoffen dem Gehassten,
sich hassend, auf tödliche Zwischenfälle. -
Den endlich die Todesstrafe erlöste
hofft widersinnig noch auf Begnadigung.

Verzweifelt in deiner Betäubung erstarrt,
dass mehr und mehr ich an den Freitod denke.
Zwar denke, doch verboten ist das Ende,
wie stets alles zwischen uns verboten war.
Unser Stolz wird bestraft mit Erniedrigung,
unsere Freiheit wird bestraft mit Kummer,
Berührung, Lust, selbst Blicke straft Entsetzen.
So ist erlaubt weder Anfang noch Verlauf.
Und nichts, was je gestattet werden könnte.

***

Diese vollständige Aussichtslosigkeit,
künftig unserer Liebe Zeit zu geben.
Geringfügig sind wir und bleiben einsam.
Helft mir nicht, selbst wenn ihr Freunde mir wäret.
Allein muss ich durch diesen Graben waten;
mit Glück komme ich zur Einsamkeit zurück,
anderenfalls muss ich im Moor versinken,
nach tausend Jahren dann als Fossil entdeckt.

***

Was wäre Zukunft anderes, als den Tag
im Rausch ertränken und sich übergebend
des Giftes wieder entledigen? Umsonst!
Gemeinsam werden Taten nur behindert.
Vollbracht zu werden kann einzeln nur gescheh'n.

Vergangenheit ist nicht zu lösen - bleibt Teil.
Bemächtigt sich unserer Eigenheiten.
Sie bekämpft, was ihr nicht Fortführung wäre,
und alles was zwischen uns liebend ersehnt,
wäre Kampf gegen gewesenes Leben,
Zusammensein ist schon Verrat im Beginn:
gegen die Einsamkeit gelebter Jahre,
gegen jede mühsam erlernte Abwehr.
Dass wir niemals liebten, wenn Gewalt drohend
gegen uns in der Maske der Zärtlichkeit
Geist und Körper im Gelächter schändete.
Unter diesen Waffen muss unsre Liebe
wehrlos auf einer blutigen Bank liegen.

Lass uns für immer der Zukunft entsagen;
es ist unter der Erde gemeinsam Platz
für Liebende, dort zusammen verfaulen;
wenn auch niemals wieder einander fassend,
doch dort unten, ungestört von den Feinden,
endlich Befreiung im verscharrt sein finden,
vereintes Hoffen, wenn auch nicht verbunden.

***

Muss ich selbst zerreißen den übrigen Leib,
und selbst wenn schließlich mir Fetzen nur bleiben,
vom meinem früher wild pochenden Trommler,
so darf ich doch keine Rücksicht mehr nehmen.
Uns hat das Ende lange schon überholt;
und bitter lacht es aus eisiger Tiefe,
bis endlich wir doch zum Tod uns entschließen,
von Freiheit befreit sind, für immer schlafen
im Schatten des dunklen ewigen Reiches.