Kritik der neoliberalen Wirtschaftstheorie

Rainer Nowotny,   2016
Rainer Nowotny

Zusammenfassung
- Der Handel einer Ware ist der letzte Schritt der Herstellung einer Ware.
- Fernhandel, abgetrennt von Herstellung und produktiver Arbeit, ist Kolonialismus.
- Preis ist der relativ gefälschte Wert eines Gutes in der Gesellschaft.
- Nicht der Handel brachte die Goldmünzen in eine Evolution, sondern ein königlicher Erlass.
- Ziel des Geldes war nicht, den Handel zu beflügeln, sondern am Handel königlich zu profitieren.
- Ausbeutung von Ressourcen lässt den Zugang zu diesen immer aufwendiger werden.
- Da der Staat die wesentlichen Widersprüche nur verschleiert, wird ein existierender Staat die Ressourcen-Frage nicht stellen.
- Wohlstandstreben beherbergt immer Ungerechtigkeit; Ungerechtigkeit verursacht immer Ausbeutung.
- In Zeiten friedlicher Wirtschaftspolitik muss die Profitrate stetig fallen.
Produktion und Wert von Erzeugnissen

Zunächst möchten wir nach dem Wesen unseres real existierenden Wirtschaftssystems fragen, und wir stellen fest, dass die Gesetzgebung den theoretischen Ansätzen, denen sie genügen will, tatsächlich Rechnung trägt.
Alle, das heutige System verteidigende Wirtschaftstheorien gehen, zumindest dem Wunsch nach, auf Adam Smith zurück.
Dieser, Smith, ging zunächst davon aus, dass Reichtum ohne Grenzen vermehrt werden kann, nicht nur übernommen oder gestohlen, sondern unbegrenzt vermehrt. Und das Bedürfnis nach Reichtum glaubte er als entscheidende Triebkraft der Wirtschaft.
Die beste Methode zur Reichwerdung sah er im ungehinderten Handel, wobei Smith dachte, dass der Tausch schon in frühen Zivilisationen verankert gewesen sei.

Der koloniale Tauschhandel seiner Zeit, den Smith vor Augen hatte, als er über den Wohlstand einer Nation - eigentlich über den Wohlstand einer Oberschicht - nachdachte, war kein Handel im produktiven Sinn, sondern das Geschäft von kolonialer Ausbeutung.
Smith verwechselte freien Handel mit Kolonialhandel. Zudem dachte er, die Urvölker betrieben Tauschhandel wie der Krämer kauft und verkauft, nur zeitgleich, und je eine spätere Handelskultur fusse auf einer vorherigen Handelskultur.
Hier findet sich bereits ein frühes Beispiel der vielen unvollständigen (!) Induktionsbeweise der Wirtschaftswissenschaften.
Präzivile Kulturen tauschten, doch das war vergleichslos und immer ohne Betrachtung von Wertäquivalenz. Niemals war es Ziel in der klassenlosen Gesellschaft, ungehindert zu tauschen, da niemals ein Gleichgewicht bestand zwischen des einen Habe und Begehr und des anderen Gegenteil. Erst die Ausbildung von Überfluss und Macht und also Klassengesellschaft brachte Habe und Begehr als Grundvoraussetzung für Austausch und Handel. 

Das ursprüngliche Sozialmoment der Menschen ist nicht der Tauschhandel, sondern Teilen und Vereinzeln. Jagdbeute wurde nicht getauscht, sondern entweder vom gesamten Dorf gemeinsam zubereitet und verspeist oder sie nährte allein des Jägers Familie.
Familiäre Teilung ist nicht Tausch, denn etwas mit anderem zu tauschen durch Geben und Wiedergeben, erzwungen zusammenhängend, ist der großen Familie fremd. Vielmehr ist ein Geben nicht mit einer Forderung verbunden. Vielmehr gilt: wiedergebe mir irgendetwas, dann wenn es dir möglich ist.
Wenn es denn vereinzelt ist, wird ggf. ein Überschuss bemerkbar; nun kann aus dem Überfluss ein Tausch entstehen. Doch bevor Überschuss getauscht wird, entsteht zunächst eine ungleichgewichtige Gesellschaft, also eine staatsähnliche Struktur oder Zivilisation. Diese Struktur erfand den Handel durch die Bezugnahme von Ferne. Handel ist Ergebnis und Instrument von Arbeitsteilung, und Arbeitsteilung braucht zunächst Zivilgesellschaft.

Der Handel ansich gehört ursächlich zum Herstellungsprozess, angefangen vom Jäger, der seine Beute verkauft oder tauscht, bis hin zur Vertriebsstruktur von Fabriken und Fabrikzusammenschlüssen. Ob der Handel nun dem Hersteller direkt angegliedert ist, etwa in der Personalunion von Jäger und Jagdbeuteverkäufer, oder ausgegliedert, etwa an Marken gebundenen Verkaufsketten oder von Marken freie Discounter, immer werden Herstellungsprodukte als Ware verkauft.

Doch interessiert zunächst die Frage, wie soll allein schon ungehindertes Tauschen, oder zeitversetzt das Kaufen und Verkaufen das Gemeinwohl erhöhen? Tauschgegenstände fallen nicht vom Himmel. Vielmehr erhöht es lediglich den Unterschied zwischen den Bilanzsummen der Gesellschaftsglieder oder nur der Tauschpartner.
Handel ist die Quelle von Umverteilung. Quelle von Reichtum des Einzelnen kann sehr wohl der Tauschhandel sein, sogar die Einkommensquelle einer ganzen nationalen Minderheit - manche Volksteile werden als Händlervolk bezeichnet. Niemals aber sind Tauschgeschäfte Quelle von Reichtum ansich. Immer muss erst etwas produziert werden, was andere dann in den Handel oder zum Tauschmarkt bringen. Nach Marx ist die Arbeit Quelle des Reichtums. Quelle von Reichtum ansich ist demnach Produktion und Innovation. Tauschhandel ist hingegen ein soziales Moment, um die Ergebnisse von Produktion und Innovation zum Vorteil zu gestalten.
Auch Handel ist Arbeit, und er folgt zeitlich der Erzeugung oder Herstellung.

Der Handel einer Ware ist der letzte Schritt der Herstellung einer Ware.

Ein hergestelltes Produkt ist erst eine Ware, wenn sie vom Handel verkauft wird.
Der Töpfer töpfert Krüge, glasiert diese, brennt diese Tongefäße und seine Frau verkauft diese auf dem Markt. Der Wert dieses Töpferware umfasst nun die Bergung des Tons aus der Erde, die Arbeit des Meisters, die Zuarbeit für Werkzeuge, das Holz für das Brennen, letztlich die Arbeit der Verkäuferin, einschließlich Fahrt zum Markt, Verkaufsgespräche, Marktschreierei und so weiter.
Handel ist die Vollendung der Herstellung von Waren. Denn ein Gebrauchswert wird durch den Handel erst zur Ware und wird von der Ware wieder zum Gebrauchswert, wenn die Ware den Handel verlässt. Insofern ist die Inverkehrbringung eines Produktes mit der Herstellung fest verbunden. Der Handel mit alten Gütern und Gebrauchswerten ist hingegen nur eine Umverteilung und nicht ein Schaffen neuer Werte, so wichtig dieser Handel auch ist, verlängert es doch den Gebrauchswert der Güter und wirkt damit werterhaltend auf die Gesellschaft. Ebenso verhält es sich beim Fernhandel und insbesondere beim Fernhandel mit wirtschaftlich oder politisch unterdrückten Gemeinschaften oder Staaten. Fernhandel selbst ist noch nicht kolonial. Kolonial wird der Fernhandel erst, wenn er sich von Herstellung und produktiver Arbeit abspaltet und nur von den Ungleichgewichten zum Zwecke der Reichwerdung profitiert.

Fernhandel, abgetrennt von Herstellung und produktiver Arbeit, ist Kolonialismus.

Der Kolonialhandel ist anders geordnet und unfrei für einen von beiden, was den Kolonialhandel gegen den freien Handel abgrenzt. Der freie Kolonialhandel ist nicht frei für die Handelspartner, sondern nur frei für eine Seite, für die Kolonialhandelsseite.

Wenn der Handel aber zum Herstellungsprozess mittelbar oder unmittelbar dazugehört, so gehört er auch in jede Gesellschaft, die Waren herstellt und verteilt.
Demnach ist der Handel kein den Kapitalismus charakterisierendes Moment.
Vielmehr beginnt der Kapitalismus erst im Ansatz von David Ricardo, wonach der uneingeschränkte Handel sogar auf Kapital und Arbeitskräfte erweitert wird. Kapital selbst wird zur Ware, Arbeitskraft wird Ware und alle daraus abgeleiteten Formen werden Ware, Schulden, Schuldenerwartung, Arbeitskraftspekulation, Arbeitsplatzvernichtung etc.

Preis und Wert

Geld oder Gold hat seine ursächliche Funktion als Tauschwert im Markt, also als Wertäquivalent von Waren, um nunmehr den Tausch aufzuspalten in Kaufen und Verkaufen, womit der eigentliche Markt oder die Marktwirtschaft beginnt, und nun auch Zoll bewertet werden konnte. Die zeitliche Trennung von Kaufen und Verkaufen ließ bereits den Schatzwert des Geldes erahnen und damit bekam es seine politische Funktion, als Vorrat, eine Kriegskasse zu reservieren.

Reichtum ist gehäufter oder gespeicherter Überschuss.
Jedoch nicht der Überschuss von Gebrauchswerten, sondern der Überschuss von Wertäquivalenten wie Geld, Gold, Wertpapiere, aber auch Kunst als Wertanlage, erzeugt ungleichen Reichtum und Macht. Nun kann der Beherrscher der Zahlungsmittel und Wertäquivalente diese nach freiem Belieben festlegen oder in der Menge vervielfachen, so wird heute Geld nach Belieben geschrieben.

Zweifellos ist Geldes das Wertäquivalent, um den Markt zu gestalten. Ob es in frühen Geldwirtschaften jemals einen freien Markt gab, bleibt zu bezweifeln. Die Marktakteure streben selbstredend stets danach.
Der Wert einer Ware ist Summe aller hinein gebrachter Arbeit. Da nun aber die Handelsarbeit ebenfalls zur Ware gehört, ist auch diese Arbeit den Wert der Ware erhöhend. Zwischen dem Wert und dem Preis am freien Markt der Konkurrenz besteht aber ein Unterschied. Fällt die Differenz zwischen Wert und Preis, so gibt es entweder fette Extragewinne, wenn die Differenz positiv ist, oder wenn negativ, so muss der Verlust das Fortbestehen des Herstellers oder des Händlers fürchten lassen.

Hayek sagt, der Preis sei der relative Wert eines Gutes in der Gesellschaft. 
Zunächst geht der Preis vom Wert der Herstellung, also von der vergegenständlichten Arbeit aus. Und der Wandel des Preises ist dann die Verfälschung des Wertes. Also muss es besser heißen und wir widersprechen damit Hayek: Preis ist der relativ gefälschte Wert eines Gutes in der Gesellschaft.

Nun muss es, wie Polanyi angibt, neben den Akteuren des Marktes noch den Akteur der Gesellschaft, der als Bestimmer den Markt regelt, verbietet, bevorzugt oder vor Äußerem schützt, geben. Dieser Bestimmer kann zum Beispiel erzwungene Differenzen von Preis und Wert festlegen. Vom Gemeinwesen und von Einzelnen befohlene Abgaben, Gewinnforderungen, Steuern, Rücklagen und Versicherungsdiktate.

Außerdem wird es in naher Zukunft bald nötig werden, für Waren, die später eine Entsorgungs-Belastung darstellen, auf Verlangen eines Gemeinwesens, für eine Entsorgung vorzuzahlen, die eine Aufsichtsbehörde verwalten muss. Und so weiter.

Der Preis am regulierten Markt wird verfälscht
1. durch Konkurrenz (wie auch beim freien Markt),
2. durch die Not unbedingter Einnahmezwänge,
3. durch Steuern und Abgaben, Fürsorgepflichten und Marktnebenkosten von ermächtigten Eintreibern.

Der Markt sei, so Hayek aber in gewisser Weise auch Keynes, trotz aller Gegensätze, selbstregulierend. Systemtheoretisch muss dieses weiter unten hinterfragt werden. Ein sich selbst regulierendes System, welches seinem Wesen nach gefräßig ist? Der Sozialismus wollte ein sich selbst höher regulierendes System sein. Er konnte sich nicht positiv gestalten, da die Individuen im Widerstreit mit der Unterordnung unter das Gemeinwohl standen. So ist es auch mit den Marktregularien.

Neben dem Markt an Waren haben wir in unserer heutigen Gesellschaft den Markt an Ressourcen (Ackerland, Bodenschätze, aber auch Ressourcen im offenen Meer, in der Atmosphäre und dem extraterrestrischen Raum), den Markt am Unternehmenseigentum, einschließlich des Marktes an militärischen Unternehmen, also an militärischer Gewalt, den Markt an Kapital, den Markt an Arbeitskräften, allen Ableitungen davon und selbst den Markt an Arbeit – ungeachtet des frommen Wunsches von Polanyi, wonach Arbeit keine Handelsware sein möge, wie es die Industrielle Revolution verlangt, sondern dass Arbeit nur menschliche Aktivität sei – und letztlich den Markt an Zahlungsmitteln selbst. Die Macht, auf Zahlungsmittel Einfluss zu nehmen, unterliegt demnach ebenfalls verschiedenen Marktfaktoren, die damit Macht erhalten.

Unvollständiger Induktionsbeweis von Mises

Von Mises geht für den Wert des Geldes/Goldes davon aus, dass der Wert des Geldes/Goldes sich auf seine Kaufkraft einer früheren Zeit bezieht, wodurch das Geld immer die jüngste Vergangenheit der Warenwerte widerspiegelt und vom Markt korrigiert wird. Der Nachfolgedeterminismus der Kaufkraft des Geldes von Miles bewies die Verzögerung der Marktpreise. Doch Bekanntlich ist ein Induktionsbeweis erst vollständig, wenn eine Anfangsaussage bewiesen ist. Nun geht von Miles von einem Anfangswert des Schmuckgeldes auf dem Markt aus, denkt aber an den freien Tauschmarkt des Adam Smith und bleibt in seinem unzureichenden Ansatz gefangen. Hier bleibt der Induktionsbeweis unvollständig und der Beweis muss demnach als logisch falsch bewertet werden.

Das erste Induktionsglied des Geldes

Wir können aber einen Anfang auch an einem fortgeschrittenen Induktionsglied festlegen, indem wir die Aussage vor diesem Induktionsglied als unbewiesen in die Ignoranz schicken.
Nehmen wir die königlich angeordnete und monopolisierte Münzprägung des Krösus. Ziel war es natürlich nicht, den Handel zu fördern, sondern den Handel mit einem Zoll oder einer Steuer zu belegen. Möglicherweise gab es vor Krösus und seinem Vater Alyattes II schon andere Münzpräger, doch für die Vollständigkeit des Induktionsbeweises genügen diese beiden Münzerfinder.
Achilleus bekam vor Troja noch einen erbeuteten Dreifuss und die geraubte schöne Briseis als Sold. Sein Sold hieß bei Homer noch Ehrgeschenk. Er wurde also nicht "bezahlt", sondern "belohnt". Die Zahl war noch nicht Vergleichswert von Ware oder Leistung.
Salzwährung war niemals eine Währung, sondern immer nur ein Handelsgut mit hohem Wert, da es ein Verbrauchsgut war. Es wurde gekauft um geteilt, verbreitet um verbraucht zu werden.
Schmuckgold war zunächst ebenfalls ein Handelsgut, welches eben einen hohen Vergleichswert hatte, dem aber jede Vergleichszahl fehlte, denn es gab kein reines Gold. Verbreitet waren vielmehr viele Mischungen und Legierungen von Gold. Erst das Versprechen des Krösus "Münzen aus Reingold mit definiertem Gewicht und mit der Prägung der Lyder" brachte die Goldmünze zur Währung. Das Geld in Form von Goldmünzen war erfunden (Induktionsbeginn).
Nicht der Handel brachte die Goldmünzen in eine Evolution, sondern ein königlicher Erlass.
Die Münzprägung diente nicht, dem Handel ein Hilfsmittel zu geben, sondern vom Handel königlich zu profitieren und ihn zu regulieren.

Ermöglicht wurde dieses durch die Technologie einer angeblichen Reingold-Herstellung, auf deren Monopol er pochte. Archimedes, der die Reinheit des Goldes hätte physikalisch vergleichen können, lebte 300 Jahre später.
Die erste einheitliche Währung über ein großes Gebiet brachte die königlich verordnete Vereinheitlichung der Silbermünzen des Alexander. Sein Ziel war, dass alle Soldaten des Königs überall mit den gleichen Silbermünzen bezahlen konnten, ohne dabei Handel betreiben zu müssen. Damit erfand Alexander den Sold; eine neue Funktion des Geldes.
Erst nach dem Erlass des Krösus und nach dem Erlass des Alexander kann von Währung und Geld gesprochen werden.
Immerhin erkannte schon von Mises: "Inflationäre Geldschöpfung durch Geschäftsbanken entsprechen dem Willen einer Regierung." Dieser Regierungsbezug war schon bei der Geburt des Geldes wesenseigen.
Doch das Währungsgold einmal zur Währung geprägt, bleibt immer Währungsgold, auch wenn es vielleicht umgeprägt wird.

Geld entstand also nicht aus dem Tauschhandel, sondern wurde per Erlass kraft einer technischen und wirtschaftlichen Monopolstellung erfunden und eingeführt.
Ziel des Geldes war nicht, den Handel zu beflügeln, sondern eine staatliche Macht wirtschaftlich über Zoll und Steuern zu festigen.

Damit aber wurde dem Markt ein arithmetischer Vergleichswert gegeben, der bis heute einem Gesetzgeber oder dem Gesetzgeber untergeordneten Banken obliegt.

Dass Geld mehr wurde als Tauschwert, Schatzwert und Zollmaß, begann mit der Geldzahlung gegen Arbeit, also nicht gegen das Produkt von Arbeit, einem Gebrauchswert, sondern allein gegen Tätigkeit, der Tätigkeit willen. Seit diesem Tausch "Geld gegen Arbeit" wurde dem Geld eine höhere Macht zuteil, die zwischen Menschen die Geldmacht teilt, und diese Geldmacht andere Mächte verdrängt.
Diese Geldzahlung gegen Arbeit hat seinen Ursprung im Sold des Alexander.

Jede Gesellschaft, oder besser jede Gesetzgebende Versammlung muss entscheiden, ob sie die Märkte öffnet, reguliert oder verbietet. Der Markt an Gebrauchsgütern und Dienstleistungen ist heute kaum zu verbieten, der Arbeitskräftemarkt auch kaum. Anders schon der Markt an Arbeit, der Markt an Unternehmen, der Markt an militärischer Gewalt, der Markt an Kapital, der Markt an Zahlungsmitteln und so weiter.

Der Kapitalhandel lebt nun von der Aussicht auf Wachstums. Wenn der Kapitalertrag höher ist als das Wachstum, kommt es unweigerlich zu einer Konzentration von Kapital, was den Kapitalmarkt wiederum oligarchisiert. Konzentration von Kapital ist nun Unfreiheit für jene Marktteilnehmer, die wenig Kapital zur Verfügung haben, denn das Kapital ist das Potential des Marktes.

Der Ertrag von Kapital ist wieder Kapital und daher gibt es allein durch eine Freistellung des Kapitalmarktes eine Vorherrschaft des Kapitals über die Arbeit. Und in dieser Erscheinung erkennen wir den Übergang vom Industriekapitalismus zum Finanzkapitalismus.

Zur Zeit von Marx, also im Industriekapitalismus des 19. Jhd. war es Ziel des Kapitals, mit einer gegebenen Auslage einen möglichst hohen Mehrwert zu erzielen, aus dem wiederum Kapital akkumuliert wird. Je schneller ein Kapital akkumuliert, desto besser sind die Chancen, gegen die Konkurrenz mit den jeweils besten Produktionsmitteln bestehen zu können. Akkumulation erscheint daher als Sachzwang: wer zu lange zu wenig akkumuliert, kann nicht mit dem jeweils neuesten technischen Produktionsniveau mithalten. Für das Industriekapital, wie es Gottfried Feder vom "Leihkapital" unterscheidet, gilt dieses noch heute, wobei das Kapital nur erfolgreich akkumulieren kann, wenn die Produktionsmittelindustrie die gesamtgesellschaftlich verschlissenen Produktionsmittel ersetzt und darüber hinaus Produktionsmittel zur Erweiterung der Produktion zur Verfügung stellt.


Bedeutung des Staates für wirtschaftliche Freiheit

Unsere Erfahrung lehrt (Zweiter Erfahrungssatz), dass lebende Materie erstirbt, wenn nicht Unordnung exportiert wird.
Dieser Export von Unordnung, kann zum Beispiel die Erhöhung von Ordnung sein, aber genau so auch das Größerwerden des gleich geordneten Zusammenhaltes, oder auch Verdichtens des ansich gleichen Zusammenhaltes, oder auch die enger versponnenen Verknüpfung des nach außen gleich bleibenden, möglicherweise scheinbar abnehmenden Zusammenhaltes, oder aber anderes. Wenn also Unordnung exportiert wird, so ist es immer eine Erhöhung von gewünschtem Wirkungsgrad. Wenngleich kann eine Erhöhung auch eine andere Verringerung oder aber Alterung einschließen, ohne dass sich daraus ein Zerfall einstellt, etwa bei einer Reifung, die ja ein Altern einschließt.
Für den Export von Unordnung aber muss Energie eingefangen oder Ressourcen ausgebeutet werden, denn es gilt auch in sich erhöhenden Zusammenhalten, dass nichts aus nichts entstehen oder erzielt werden kann (Erster Erfahrungssatz).

Frühes Geld, so wurde gezeigt, hatte also 1. die Funktion, einen Tauschwert nachvollziehbar festzulegen, 2. die Funktion durch die Nachvollziehbarkeit von Handelsgeschäften darauf Zoll oder Steuern zu erheben. So wurde dem Staat, der zunächst durch Besitz und militärische Gewalt seine Einnahme sicherte, eine Handelskontrolle in die Hand gegeben, was seit dem die Ausrichtung staatlichen Strukturen dominiert.

Der Staat als Rousseauscher Vertrag zwischen dem Menschen ist ebenso nur Wunsch wie eine Diktatur der Produzierenden über Müßiggänger. Gesellschaftsvertrag und Diktatur der Werktätigen sind Sozialromantik und nehmen den Staat NICHT als System lebender, also auch irrender Teilnehmer war.
Tatsächlich existiert ein Staat in einer vielgestaltigen Aufspaltung und darunter liegenden Vernetzung von Organstrukturen der Gesellschaft in Schuftende und jene, die durch Steuern und Zölle von deren Arbeit profitieren. Manche Staaten sind gerechter, andere streben nach höheren Zielen, noch andere sind einfach tyrannisch. Aber jeder Staat dient einer Umverteilung des Sozialproduktes aller Schaffenden in diesem Staat. Zunächst einmal zur Selbsterhaltung des Apparates, zur Sicherung durch Beamte und militärische Gewalt, später dann verteilend in Bildung, Wohlfahrt, Kultur und so weiter. Immer braucht der Staat mehr Geld, als er eigentlich von den Schaffenden abnehmen kann, teils aus egoistischen, teils aus hehren Zielen.

Aufgabe des Staates, so Lenin, ist es, die jetzt bestehenden Machtverhältnisse zu erhalten, da jede Änderung denen, die profitieren, sicherlich zum Nachteil gereichen würde. Daher bemüht sich jeder Staat, die bestehenden Widersprüche zu verschleiern, indem die kleinen Probleme mitunter zwar gelöst werden, aber die großen und zum Teil unlösbaren Probleme verschleiert werden sollen oder müssen.


Eine dritte Erfahrung lehrt (Dritter Erfahrungssatz), dass die Ausbeutung von Ressourcen den Zugang zu diesen immer aufwendiger werden lässt und damit die Stabilität des Zusammenhaltes gefährdet. Tatsächlich ist die geistige Fundamentierung eines Zusammenhaltes ungleich träger und nur deshalb stabiler.
Da nun diese Situation droht, das bestehende Wirtschaftssystem implodieren zu lassen, bestünde rein theoretisch die Möglichkeit, grundsätzlich die Ressourcen-Frage zu stellen. Da jedoch der Staat die wesentlichen Widersprüche nur verschleiert, wird ein existierender Staat die Ressourcen-Frage nicht stellen.

Allgemein ist Arbeit das Produkt aus Weg und Kraft. Der Weg des Einzelnen unter Nutzung seiner Kraft oder unter Nutzung anderer Kräfte verrichten Arbeit und aus dieser entsteht ein Ergebnis. Aber dieses Ergebnis kann natürlich auch Zerstörung sein; bestenfalls nutzt dieses Ergebnis aber entweder dem Einzelnen oder der Gesellschaft. Lohnarbeit in einer Fabrik etwa ist solche Arbeit. Der Nutzen gilt dann der Fabrik, bestenfalls einer Gemeinschaft vielleicht durch Waren für andere Glieder der Gesellschaft, zumindest aber sichtbar im geschaffenen Bruttosozialprodukt.

Postproduktive Gesellschaft oder Wohlstandsinsel?

Viele Zeitgenossen argumentieren eine postproduktiven Gesellschaft.
Wodurch wäre eine solche Wohlstands- und Freizeitgesellschaft gezeichnet?
A. Die gesellschaftliche Arbeit wäre nicht der Zweck der postproduktiven Gesellschaft, sondern Zweck ist die Ausbeutung derjenigen, die überhaupt noch etwas erzeugen oder herstellen.
B. Persönliches Ziel der Arbeit einer postproduktiven Gesellschaft wäre die Vermeidung der gesellschaftlichen Arbeit. Ziele wären vielmehr Wohlstand durch Zinsen oder durch Erbschaft, Feierabend, Urlaub, Frührente, bedingungsloses Grundeinkommen oder Almosen.
C. Da es bereits Wohlstand über das Nießbare hinaus gibt, wäre dessen Erlangung nicht Zweck der eigenen Arbeit. Vielmehr diente die Arbeit der Festigung des Wohlstandes und der Verharrung der bestehenden gesellschaftlichen Situation mit all ihren Widersprüchen.

Tatsächlich stellen von allen Menschen einer "westlichen" Gemeinschaft nur noch verhältnismäßig wenige die Produktivkraft Mensch. In einer Stadt wie Berlin gibt es kaum noch Arbeiter im produzierenden Gewerbe. Oft wird daher von Dienstleistungsgesellschaften gesprochen, einer dient dem anderen, wobei das Produktive importiert werden muss. So gibt es große Schichten ohne Produktivität, die, so sie nicht von der Wohlfahrt oder von Altersversorgung leben, entweder von der Ausbeutung der produktiven Minderheit oder von der exportierten Ausbeutung profitieren; aus immerhin noch existierender produktiver Gesellschaften, wie etwas in den Ländern, denen Wohlstand noch fehlt und deren Unterdrückung und Ausbeutung Quelle hiesigen Wohlstandes ist.
Für unproduktive Gesellschaften aber ist Bewegungslosigkeit kennzeichnend.
Ein ähnliches Bild hatte die spätrömische Gesellschaft der Sklavenhalten, die in der eigenen Zerfleischung und im wehrlosen Staunen über die einfallenden Nordvölker endete. Auch in der späten Feudalepoche erlangten die oberen Schichten der Feudalerbschaften diese Bewegungslosigkeit; erst die Ellenbogengesellschaft der freien Konkurrenz beendete dieses und stürzte die Erben.

Wie vollzieht sich Veränderung?

Die Möglichkeiten der Umverteilung innerhalb einer Staatsform sind vielgestalt: Steuern und Zölle, Einkommensaufteilung etwa an staatliche Sozialsysteme, Versicherungen, Rechtsstreitigkeiten, Urheberstreitigkeiten, Haftungsstreitigkeiten, Abgaben und Auskunftspflichten jeglicher Art.
Anders als in der Zeit großer Auseinandersetzung von Arbeiterklasse und Kapitalistenklasse besteht diese zwar heute weiterhin, namentlich in den großen Automobilkonzernen, in den Chemiekonzernen oder auch in anderen Branchen, jedoch ist diese Auseinandersetzung nicht mehr der die Gesellschaft bestimmende Antagonismus, der jene ins Wanken bringen wird. Vielmehr sind es heute die produktiv Tätigen allgemein, die das bestehende System zur Veränderung führen werden.
Und es geht nicht darum, dass die produktiv Tätigen sich ausgebeutet fühlen, da sie ja einen gewissen Wohlstand bereits erreichten; vielmehr beschreiben die heutigen Konflikte die Erkenntnis, dass Fäulnis das System durchsetzte.
Veränderung wird sich nicht in begrenzter Staatlichkeit vollziehen, vielmehr so, wie die Industrialisierung international ist, der Handel global, die Auseinandersetzung der Ausbeutung über die Kontinente greift, da der verantwortliche Antagonismus sein Gespinst über Staatsgrenzen und Weltmeere hinweg legte.
Die Plünderung der Rohstoffe und Bodenschätze an den Grenzen der Wirtschaftsräume werden Auslöser für gewaltsame Konflikte sein, die letztendlich den Sturz der bestehenden Ordnung herbeibringen müssen. Denn die Plünderung von Bodenschätzen, der Profit von Acker- und Plantagenbau, die Verfügbarkeiten von Wasser und andere Ressourcen werden innerhalb der bestehenden Wirtschaftsmachtverhältnisse nicht freiwillig durch die Profiteure reformiert.
Menschenmassen werden sich auf den Weg machen, die bestehende Ausbeutung weiter Teile der Erde durch kleine Teile der Wirtschaftsgebiete zerschlagen. Nicht das dadurch Wohlstand in jene Gebiete kommt, die ohne Wohlstand leben mussten, nein. Vielmehr werden Völkerwanderungen die postproduktiven Gesellschaften zersetzen.

Und ähnlich verhält es sich in den Notwendigkeiten von Nachhaltigkeit und Ökologie. Denn ein Einlenken würde ja bedeuten, dass einige Glieder der Wirtschaftssysteme auf errungenen Wohlstand und Macht verzichten müssten. Also werden solche Strebsamkeiten bekämpft und gedrückt. Daher ist es Aufgabe der Staatssysteme der führenden Wirtschaftsmächte, die Widersprüche zu verschleiern, wobei sich gerade die Informationsfreiheit der Medien zum bevorzugten Mittel, wie Radio, Fernsehen, soziale Netzwerke und so weiter, etablierte. Und aus dieser Ohnmacht, dass weit verbreitete Medien nicht mehr riskante Informationen übertragen, sprechen bereits viele Kritiker von einer Postbildungsgesellschaft, obwohl der allgemeine Stand der Bildung nicht sinkt, sondern vielmehr mit dem Mittel der Überflutung von Informationen und Fakten uneindeutig wird.